Am 6.8.2024 starteten wir als frisch gebackene Stadträte zu unserer ersten Stadtratssitzung. Wer eine überschaubare konstituierende Sitzung erwartet hatte, lag falsch. Ein Mammutprogramm lag auf dem Tisch.
Aufgrund der Vielzahl an Themen möchten wir zu den folgenden ausgewählten Inhalten unsere Sichtweise darlegen:
- die Neufassung der Hauptsatzung und Geschäftsordnung
- der Bebauungsplan Wiesenstraße
- die Lesbarkeit von Beschlüssen
Hier erfahrt ihr mehr über diese Themen:
Tagesordnungspunkt 3: Änderung der Hauptsatzung – Teil I
Um was ging es?
Meist gleich zu Beginn der neuen Wahlperiode werden die Spielregeln zwischen Bürgermeister und Stadtrat verhandelt: die Hauptsatzung und die Geschäftsordnung. Insbesondere bei zwei Vorschlägen des Bürgermeisters sahen wir eine Entmachtung des Stadtrates als das oberste Gremium.
Bestimmte Aufgaben übernimmt nicht der gesamte Stadtrat, sondern sog. Ausschüsse, bestehend aus Mitgliedern des Stadtrates und berufenen Bürgerinnen und Bürgern aus der Stadt sowie dem Bürgermeister. Zwei Ausschüsse können bis zu bestimmten Höchstsummen, sogenannten Wertgrenzen, eigenständig über im Haushalt vorgeplante Projekte entscheiden. Die Anhebung der Wertgrenzen, bis zu denen in den beschließenden Ausschüssen Projekte beauftragt werden können, sollte von bisher max. 250.000 € auf 500.000 € angehoben werden.
Unsere Position
Die Ausschüsse bestehen aus weniger Personen als der Stadtrat und die berufenen Bürgerinnen und Bürger dürfen nicht mit abstimmen. Somit beschließen diese Ausschüsse mit deutlich weniger Menschen als der gewählte Stadtrat.
Die Begründung, man entschlacke damit die Stadtratssitzung, ist nicht haltbar. Der Blick auf das vergangene Stadtratsjahr zeigt, dass von 24 Entscheidungen zur Umsetzung des Haushaltes nur 4 von ihrer Summe her tatsächlich in den Stadtrat gehört hätten. Alle anderen hätte der jeweilige Ausschuss allein beschließen können.
Auch im Vergleich zu anderen Städten ist Zwönitz hier ein absoluter Ausreißer:

Was kam heraus?
Der Stadtrat beschloss den Antrag des Bürgermeisters mit 22 von 27 Mitgliedern. Wir stimmten nicht für den Antrag.
Tagesordnungspunkt 3: Änderung der Hauptsatzung – Teil II
Um was ging es?
Meist gleich zu Beginn der neuen Wahlperiode werden die Spielregeln zwischen Bürgermeister und Stadtrat verhandelt: die Hauptsatzung und die Geschäftsordnung.
Der Bürgermeister darf auf Grundlage der Hauptsatzung bis zu einer bestimmten Tarifgruppe allein über Einstellungen, Höhergruppierungen (Beförderungen) und Entlassungen von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern entscheiden. Über alle anderen, höheren Tarifgruppen entscheiden entweder ein Ausschuss oder der gesamte Stadtrat. Das war bisher auch schon so.
Jedoch beantragte der Bürgermeister, dass er nun über deutlich mehr Tarifgruppen allein entscheiden kann.
Unsere Position
In Bezug auf den Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) ist das für uns nicht tragbar.
Der Stadtrat ist auch ein Kontrollorgan der Stadtverwaltung – völlig unabhängig davon, ob man dem Bürgermeister vertraut. Der Bürgermeister verschafft sich hier die Kompetenz, über 72% aller aktuellen Stellen des TVöD zu befinden.


Die Vorstellung der Bewerberinnen und Bewerber (TVöD) im Ausschuss wäre aus unserer Sicht das mindeste und bei Vorbereitung und Qualifikation der dortigen Mitglieder auch absolut vertretbar.
Was kam heraus?
Der Stadtrat beschloss den Antrag des Bürgermeisters mit 22 von 27 Mitgliedern. Wir stimmten nicht für den Antrag.
Tagesordnungspunkt 12: Bebauungsplan „Gewerbegebiet Wiesenstraße“ – Billigungs- und Auslegungsbeschluss
Um was ging es?
2017 wurde beschlossen, ein neues Gewerbegebiet an der Wiesenstraße zu schaffen. Die Erarbeitung des dazu notwendigen Bebauungsplanes hat sich aufgrund verschiedener Gründe enorm verschoben. Zum Beschluss stand die Freigabe des Bebauungsplanes, um ihn im nächsten Schritt öffentlich auslegen zu können.
Unsere Position
Der Entwurf des Bebauungsplanes wurde nicht im Technischen Ausschuss vorberaten. Beim Durchlesen fielen uns viele Unstimmigkeiten auf, aber auch Inhalte, die näher erklärt werden müssten. Wir haben daher den Antrag gestellt, diesen Beschluss zu vertagen und zunächst im Ausschuss zu beraten.
Was kam heraus?
Mit der Begründung des Bürgermeisters, dafür müssten zeitnah Fördermittel beantragt werden, wurde unser Antrag auf Vertagung mehrheitlich abgelehnt. Auch die zahlreichen Hinweise wurden nicht näher geprüft, sodass wir uns bei der Abstimmung dazu enthielten und nun in der Auslegungsfrist unsere Hinweise anbringen werden.
Tagesordnungspunkt 16 – Beschluss über die Vergabe der Erneuerung des redundanten SANs mit Hosts
Um was ging es?
Eine gute Frage: Der Punkt nannte sich „Beschluss über die Vergabe der Erneuerung des redundanten SANs mit Hosts“. Auch der Text zur Vorlage wimmelte von IT-Fachwörtern. Selbst IT-Fachkräfte mussten hier erstmal prüfen, um was es sich dabei eigentlich handelte.
Unsere Position
Der Gegenstand unserer Bedenken richtete sich nicht gegen die Anschaffung, sondern die Form des Antrages: Der Stadtrat soll einen Querschnitt der Bevölkerung abbilden. Um Beschlüsse zu fassen, müssen diese von der Überschrift über die Begründung bis zum Beschlussvorschlag verständlich formuliert sein – für alle Mitglieder des Stadtrates.
Daher haben wir vor der Sitzung um einen Sachvortrag in der Sitzung durch den zuständigen Mitarbeiter gebeten.
Wir haben in der Sitzung demonstriert, dass eine verständliche Formulierung dieser komplexen Inhalte möglich ist:
[Antrag der Stadtverwaltung]
Beschluss über die Vergabe der Erneuerung des redundanten SANs mit Hosts
Für das Hosting der virtuellen Maschinen werden zwei neue Hosts benötigt. Die Infrastrukturlösung wird mittels zweier Fibre-Channel-Switches verbunden. Für die Lösung müssen zwei Storagesysteme angeboten werden. Die beiden Systeme sollen als Cluster mit transparentem Failover in unterschiedlichen Brandabschnitten aufgebaut werden
[Alternativvorschlag]
Beschlussvorlage zur Erneuerung und Vergabe eines Datenspeichersystems im Rathaus mit Serversicherung
Für das Betreiben der virtuellen Maschinen werden zwei neue Computer(Server) benötigt. Diese werden mit zwei speziellen Netzwerkgeräten verbunden, die über Glasfaserkabel kommunizieren. Es müssen zwei Speicherlösungen angeboten werden. Die beiden Speicher sollen so eingerichtet werden, dass sie als ein zusammenhängendes System funktionieren, das bei einem Ausfall automatisch auf das andere System umschaltet. Außerdem sollen sie in verschiedenen Brandschutzzonen aufgestellt werden, um zusätzliche Sicherheit zu gewährleisten.
Was kam heraus?
Wir haben der notwendigen Anschaffung zugestimmt. Für die Zukunft haben wir die Stadtverwaltung um verständliche Beschlussvorlagen gebeten. Das sahen auch andere Stadträte so.